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Sprach- und Denkformen bei Franz Kafka

Epistemata - Literaturwissenschaft 867

Erschienen am 15.11.2016, 1. Auflage 2017
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783826060908
Sprache: Deutsch
Umfang: 282 S.
Format (T/L/B): 2 x 23.5 x 15.5 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Mit der durch die jüngere germanistische Forschung zunehmend gewichteten Erkenntnis, dass Kafkas Texte selbst Interpretationen gezielt provozieren, ohne eindeutige Antworten zuzulassen, geraten deren eigene (literatur-)wissenschaftliche Voraussetzungen als problematisierte Hermeneutik ins Visier. Schuld daran scheinen Kafkas Texte selbst zu sein: Indem sie Sprach-, Schrift- und Verstehensprozesse reflektieren, inszenieren sie mittels mise en abyme einen poetischen Übergriff auf theoretisches Terrain. Diese epistemologische Herausvorderung ernst zu nehmen, stellt eine Gratwanderung dar, der Kafka nicht ausgewichen ist und der auch Johannes Schneider im wissenschaftlichen Rahmen nachzugehen versucht, auch wenn das wissenschaftliche Selbstverständnis damit fundamental in Frage gestellt wird. Kafkas Texte führen inhaltlich und durch ihre Sprach- bzw. Denkformen zu der unausweichlichen Frage, wie eine Kritik an der Sprache in der Sprache möglich sein kann. Topoi der Kafka-Forschung mit langer Tradition - etwa nach der Frage nach Wahrheit bzw. Fiktionalität, Subjektivität, Transzendenz usw. der Texte - werden durch diesen fundamentalen Ansatz weder aufgehoben noch in ihrem Erkenntniswert geschmälert, erscheinen aber in theoretischer Hinsicht in verändertem Licht. Schneider zeigt in seiner Untersuchung, was Kafkas Texte sowohl für den einfachen Lesenden wie für den Literaturwissenschaftler so interessant und auch beängstigend macht: die auf einzigartige Weise demonstrierte Gleichzeitigkeit von sprachkritischer Reflexion, die sich sowohl im inhaltlichen Geschehen fiktional als auch durch die semantische Destruktion auf der Verstehensebene entfaltet, und poietischer Kreativität, die - wenn auch meist verkannt - ebenfalls innerhalb der Texte auftritt und zugleich bei der Rezeption im Aneignungsvorgang beim Lesenden erzwungen wird. Damit zeigt sich in den Texten Kafkas selbst eine auf die Opposition von wissenschaftlicher und ästhetischer Weltauffassung hinauslaufende, polarisierte Darstellung sprachlicher Modelle, deren Widerstreit nicht entschieden wird, sondern als notwendige Gleichzeitigkeit den Lesenden zur persönlichen Auseinandersetzung und Aneignung einlädt. Diese Form refklexiver Poesie Kafkas versteht Schneider im Ergebnis als poietisch-kritischen Experimentaldiskurs.