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Otherland. Band 3

Berg aus schwarzem Glas, Otherland 3

Erschienen am 30.08.2000
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783608934236
Sprache: Deutsch
Umfang: 813 S.
Format (T/L/B): 5 x 22.1 x 14.8 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Sie erschien Paul Jonas im Traum. Er kannte sie so gut, ihre merkwürdige geflügelte Gestalt, ihre traurigen Augen. Er kannte diese Frau, die von sich sagte, sie sei ein 'gesprungener Spiegel', aber seine Erinnerung an sie, wer sie war, was sie ihm bedeutet hatte, war verloren. Und doch war die geheimnisvolle Nachricht, die sie ihm brachte, seine einzige Hoffnung, dieses labyrinthische virtuelle Netzwerk, das Otherland hieß, zu überleben. 'Du wirst das, was du suchst, bei Sonnenuntergang vor Ilions Mauern finden.' So sprach die geheimnisvolle schlafende Frau zu Orlando. Aber was sollte das bedeuten? Und wie sollte ein schwerkranker Junge, der in einem virtuellen Ägypten voller feindseliger, blutrünstiger Götter und mythischer Kreaturen um sein Leben kämpfte, je dieses Ziel finden? Im dritten Band, dem bisher spannendsten, erhält die Erzählung ein neues Tempo, denn die Zeit wird knapp: Die Gralsbruderschaft macht sich bereit, den letzten Schritt zu tun - nämlich einzugehen in das Netzwerk Otherland, um das ewige Leben zu gewinnen. Die Rätsel um Paul Jonas werden gelüftet, und Renie und ihre Freunde sehen sich mit dem schrecklichsten Geheimnis von Otherland konfrontiert, das immer nur schaudernd 'Der Andere' genannt wird. Im November 2004 hat Tad Williams für 'Otherland' den Corine-Future Preis erhalten.

Autorenportrait

Tad Williams, geboren 1957 in Kalifornien, ist Bestseller-Autor und für seine epischen Fantasy- und Science-Fiction-Reihen, darunter Otherland, Shadowmarch, und Der letzte König von Osten Ard, bekannt. Seine Bücher, die Genres erschaffen und bisherige Genre-Grenzen gesprengt haben, wurden weltweit mehrere zehn Millionen Male verkauft.

Leseprobe

Während die Frau sprach, zog die Flamme der Öllampe mehrmals seinen Blick auf sich, und die flackernde Helle kam ihm in diesem ruhigen Raum wie das einzig Wirkliche im ganzen Universum vor. Selbst ihre Augen, die großen dunklen Augen, die er so gut kannte, schienen nur ein Detail aus einem Traum zu sein. Es war beinahe nicht zu glauben, aber dies hier war endlich, ganz ohne Frage, sie. Er hatte sie gefunden. Aber so einfach kann es nicht sein, dachte Paul Jonas. Das wäre das erste Mal. Und natürlich hatte er recht. Zuerst hatte es tatsächlich den Anschein, als ob eine lange verschlossene Tür zu guter Letzt doch noch aufgegangen wäre - oder vielmehr, als ob Paul, dem das Entsetzen über Gallys Tod immer noch in den Knochen steckte, die Endrunde eines extrem langwierigen und unbegreiflichen Wettkampfs erreicht hätte. Die Frau des verhinderten Heimkehrers Odysseus, die alle für seine Witwe hielten, vertröstete ihre Freier schon seit geraumer Zeit mit der Ausrede, vor jedem Gedanken an eine neue Vermählung müsse sie erst ihrem Schwiegervater das Leichentuch gewebt haben. Allnächtlich, wenn die Freier betrunken eingeschlafen waren, trennte sie dann die Arbeit des Tages heimlich wieder auf. Darum traf Paul, als er in der Gestalt ihres Mannes zu ihr kam, sie am Webstuhl an. Als sie sich umdrehte, sah er, daß das Motiv des Tuches Vögel waren, hell blickende, schön geflügelte Vögel, jede einzelne Feder ein kleines Wunder aus farbigen Fäden, aber er schaute nicht lange darauf. Die geheimnisvolle Erscheinung, die in so vielen Gestalten und in so vielen Träumen zu ihm gekommen war und die sich an diesem Ort als hochgewachsene, schlanke Frau im reifen Alter darstellte, stand ihm jetzt wartend gegenüber. „Es gibt so viel, was wir zu bereden haben, mein langverschollener Mann - so viel!“ Sie bot ihm ihren Hocker an. Als er sich gesetzt hatte, kniete sie sich mit natürlicher Grazie zu seinen Füßen auf die Steinplatten. Wie alle im Haus roch sie nach Wolle, Olivenöl und Holzrauch, aber darunter war noch ein Duft, den Paul als ihren ureigenen empfand, ein Hauch von Blumigkeit, Körperlichkeit. Seltsamerweise umarmte sie ihn nicht, ja rief nicht einmal die Dienerin Eurykleia zurück, um ihrem so lange vermißten Gatten Wein oder Speisen bringen zu lassen, aber Paul war nicht enttäuscht: Antworten auf seine vielen Fragen interessierten ihn viel mehr. Die Lampenflamme flackerte, dann wurde sie still, als ob die Welt den Atem anhielte. Alles an ihr wirkte vertraut, sprach von einem Leben, das er verloren hatte und unbedingt wiedergewinnen wollte. Er wollte sie an sich pressen, aber irgend etwas, vielleicht ihr kühler, ein wenig scheuer Blick, hielt ihn ab. Er war von den Ereignissen ganz benommen und wußte nicht, wo er anfangen sollte. „Wie. wie heißt du?“ „Wie ich heiße? Penelope, du Seltsamer“, sagte sie, und ein Verwunderungsfältchen erschien zwischen ihren Brauen. „Hat dich die Fahrt in das düstere Reich des Todes sogar um dein Gedächtnis gebracht? Das wäre aber sehr traurig.“ Paul schüttelte den Kopf. Den Namen von Odysseus´ Gemahlin kannte er, aber er hatte keine Lust, ein vorgegebenes Szenarium auszuagieren. „Aber wie heißt du wirklich? Vaala?“ Der sorgenvolle Blick verfinsterte sich. Sie lehnte sich von ihm weg wie von einem Tier, das sie jeden Augenblick anspringen konnte. „Bitte, Odysseus, sage mir, was du von mir zu hören wünschst. Ich will dich nicht erzürnen, denn sonst könnte es geschehen, daß deine Seele gar keine Ruhe mehr findet.“ „Seele?“ Er streckte die Hand nach ihr aus, doch sie scheute zurück. „Meinst du denn, ich bin tot? Schau doch, ich lebe! Faß mich an!“ Noch während sie ihm mit einer ebenso anmutigen wie entschlossenen Bewegung auswich, wechselte ihre Miene schlagartig von Furcht zu Verwirrung. Gleich darauf überkam sie eine tiefe Traurigkeit, und ein Blick erschien, der keinen Bezug zu ihren vorherigen Reaktionen zu haben schien. Es war beängstigend mit anzusehen. „Ich habe dich lange genug mit meinen Frauensorgen aufgehalten“, sagte sie. „Die Schiffe zerren an den Ankertauen. Die Helden Agamemnon und Menelaos und die andern warten ungeduldig, und du mußt übers Meer nach dem fernen Troja fahren.“ „Was?“ Paul wurde aus dem plötzlichen Stimmungsumschlag nicht schlau. Eben noch hatte sie ihn behandelt, als wäre er das Gespenst ihres Mannes, jetzt wollte sie ihn hopplahopp in den Trojanischen Krieg schicken, der längst aus sein mußte - wieso sonst sollten alle so staunen, daß er noch lebte? „Aber ich bin doch gerade zu dir heimgekehrt. Du sagtest, du hättest mir viel zu erzählen.“ Einen Moment lang erstarrte Penelopes Gesicht, bevor es auftaute und den nächsten, wieder ganz anderen Ausdruck annahm, eine Leidensmaske erzwungener Tapferkeit. Was sie sagte, gab praktisch keinen Sinn. „Bitte, guter Bettler, zwar bin ich sicher, daß Odysseus, mein Gatte, tot ist, aber wenn du mir irgend etwas von seinen letzten Tagen berichten kannst, verspreche ich dir, daß du nie wieder Hunger leiden wirst.“ Ihm war zumute, als stellte sich ein fester Bürgersteig, auf den er zu treten gemeint hatte, als ein sausendes Karussell heraus. „Warte! Ich verstehe nichts von alledem. Kennst du mich denn nicht? Eben hast du noch das Gegenteil gesagt. Wir sind uns in dem Schloß des Riesen begegnet. Dann haben wir uns auf dem Mars wiedergesehen, wo du Flügel hattest. Dort war dein Name Vaala.“ Erst verhärtete sich das Gesicht seiner einstigen Frau zornig, dann aber wurde ihr Blick milder. „Du Armer“, sagte sie mitfühlend. „Nur einige der vielen Schicksalsschläge zu leiden, die meinen erfindungsreichen Gatten ereilten, hat dich um den Verstand gebracht. Ich werde dir von meinen Mägden ein Bett anweisen lassen, ein wenig abseits, wo die grausamen Freier dir nicht das Leben zur Qual machen. Vielleicht weißt du mir am Morgen Vernünftigeres zu berichten.“ Sie klatschte in die Hände, und die greise Eurykleia erschien in der Tür. „Besorge diesem alten Mann einen sauberen Schlafplatz, und gib ihm zu essen und zu trinken!“ „Das kannst du nicht mit mir machen!“ Paul beugte sich vor und packte den Saum ihres langen Kleides. Mit einem Auflodern echter Wut fuhr sie zurück. „Du gehst zu weit! Dieses Haus ist voll von bewaffneten Männern, die dich nur zu gern umbringen würden, wenn sie hoffen dürften, mich damit zu beeindrucken.“ Er sprang auf und wußte nicht, was er tun sollte. Die ganze Welt schien mit einem Schlag eingestürzt zu sein. „Kannst du dich wirklich nicht an mich erinnern? Vor wenigen Minuten konntest du es noch. Mein wirklicher Name ist Paul Jonas. Sagt dir das gar nichts?“ Penelope entspannte sich, aber ihr förmliches Lächeln war steif, geradezu gequält, und einen Moment lang meinte Paul, hinter ihren Augen ein verängstigtes Wesen flattern zu sehen, einen eingesperrten Vogel, der verzweifelt zu fliehen versuchte. Der Eindruck verblaßte; sie winkte ihm zu gehen und wandte sich wieder ihrer Webarbeit zu. Draußen vor der Tür legte er der alten Frau die Hand auf die Schulter. „Sag mir, kennst du mich?“ „Selbstverständlich, Odysseus, selbst in diesen Lumpen und mit deinem grauen Bart.“ Sie führte ihn die schmale Stiege ins Erdgeschoß hinunter. „Und wie lange bin ich weg gewesen?“ „Zwanzig schreckliche Jahre, Herr.“ „Warum denkt meine Frau dann, ich sei jemand anders? Oder daß ich im Begriff sei, nach Troja aufzubrechen?“ Eurykleia schüttelte den Kopf. Sie wirkte nicht übermäßig beunruhigt. „Vielleicht hat der lange Kummer sie krank im Kopf gemacht. Oder vielleicht hat ein Gott ihren Blick umnachtet, so daß sie die Wahrheit nicht sehen kann.“ „Oder vielleicht bin ich einfach verloren“, murmelte Paul. „Vielleicht bin ich dazu verurteilt, ewig herumzuirren.“ Die alte Frau schnalzte mit der Zunge. „Du solltest vorsichtig mit deinen Worten sein, Odysseus. Die Götter hören alles.“ Er lag zusammengerollt auf der gestampften Erde des Küchenfußbodens. Die Sonne war untergegangen, und der kalte Nachtwind vom Meer pfiff durch das große, zugige Hau... Leseprobe

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