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Kalt wie Blut

Roman

Erschienen am 10.09.2007
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442364367
Sprache: Deutsch
Umfang: 447 S.
Format (T/L/B): 3.2 x 18.3 x 11.5 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Mord verjährt nie! Ein Mann liegt verborgen in einem verlassenen Ruderboot. Mühsam einen Aufschrei unterdrückend, zerschneidet sein Messer den Arm. Bald wird er tot sein - und das Leben wird neu beginnen. Drei Jahrzehnte später wird Declan McIlroy erfroren in seiner Wohnung aufgefunden. Der kälteste Winter seit 1947 hält die kleine englische Stadt Ely in seinen eisigen Fängen, die Armen der Stadt sterben in ihren Wohnungen. Für den Reporter Philip Dryden allerdings wirft Declans Tod andere Fragen auf, denn Declan war nicht alleine, während er langsam starb. Bald verfolgt Dryden erschüttert die Fährte eines brillant geplanten Verbrechens - dessen Spur zurückführt bis in seine eigene Kindheit. Spannender geht es nicht: ein genial konstruierter Fall, packende Atmosphäre und raffinierte Psychologie! Ausgezeichnet mit dem "Dagger Award" (dem größten britischen KrimiPreis)

Leseprobe

August 1974 Der Dolch lag auf seinem nackten Schenkel, die Klinge kalt wie ein Bergbachkiesel. In der Koje legte er sich zurück, er hob mit der einen Hand die Waffe, spreizte die Finger der anderen über seinem Oberarmmuskel und spannte die sonnengebräunte Haut damit. Draußen schlug das Wasser der Butenmarsch an den Rumpf der Curlew und wiegte sie in der steigenden Flut. Er schmeckte das Salz auf den Lippen, als er auf den ledernen Gürtel biss und sich die V-förmige Dolchspitze in den Bizeps presste, er zuckte zusammen, als das Metall sich ins Fleisch grub. Er wusste, er durfte nicht schreien, doch beim Gedanken an das, was jetzt käme, drehte sich ihm der Magen um. Das Ferienlager war eine Meile entfernt, doch er hatte Kinder gesehen, bei Sonnenuntergang waren sie durch die Marsch spaziert, zu viert, ihre Taschenlampen tanzten im Schilf. Niemand durfte es hören. Niemand durfte es wissen. Er hielt den Atem an und biss noch einmal auf den Riemen, zog die Klinge durch die Haut, bis eine Arterie freilag und durchtrennt wurde. Blut floss wie Plakatfarbe, troff vom Ellenbogen herab, und als ihm der Schmerz blitzartig in die Nerven schoss, da ließ er den Dolch fallen und schrie aller Vorsicht zum Trotz auf. Es würgte ihn, den Riemen, den er immer noch im Mund hatte, spie er aus, ihm war zum Weinen. »Noch zwei«, sagte er. Ein gezacktes S, wie ein Blitz. Drei Schnitte. Aber er wusste, er könnte es jetzt nicht durchstehen, und so legte er sich auf den Rücken und suchte Trost in der Berührung des kalten Metallkoffers an seiner Seite, indem er bedächtig mit dem Finger die beiden Schließen nachfuhr. Wenn er dies hier durchzöge, sagte er sich, wäre alles perfekt. Nicht zum ersten Mal im Lauf seiner dreiundzwanzig Lebensjahre fühlte er sich gottgleich: er würde wiederauferstehen. Nichts konnte ihn aufhalten, wenn er nur den Mut aufbrachte, es zu Ende zu bringen, und so tastete er neuerlich nach der Klinge. Aber die Berührung des Metalls brachte ihn der Ohnmacht nahe. Er streckte die Hand nach den warmen Holzspanten des alten Boots aus: Seit dreizehn Tagen war es schon sein Heim, nicht mehr lange, und er hätte es hinter sich. Die Geräusche der Nacht setzten ein. Mit dem Wind klang die Jukebox aus dem Lager herüber und das immer gleiche blecherne Geschmetter vom Rummel. Im Geiste tanzte er mit ihr, im flüchtigen Schein der Glitzerkugel, sanft küsste sein Schenkel im Takt ihre Scham, und ihre Lippen liebkosten sein Haar. Er lächelte, denn bald schon wäre er tot und sie beide vereint. LetterMFarm, unweit Ely Dienstag, 27. Dezember, einunddreißig Jahre später Weiß hing der Reif in der kuppelgleich geschwungenen Krone der Magnolie, eine makellose Konstruktion aus Eis. In der Stille der arktisch kalten Luft ächzte der Stamm unter ihrem Gewicht. Die Eisdecke über dem flachen Teich dampfte in der Wintersonne, und schmachtend dürstete ein einsamer Karpfen unter der bestäubten Oberfläche nach Luft. Joe stand davor und bewunderte die Anmut dieses Luftschnappens, während jeder seiner eigenen Atemzüge ein Wölkchen formte, das in den Strahlen des Sonnenuntergangs kurz aufleuchtete und dann entschwand. Er steckte die Zigarette an, die er im Haus gerollt hatte, und sog das Marihuana tief in seine geschundene Kehle. Er ließ sich auf seiner Bank nieder, dahinter die mit blutroten Beeren schwer beladene Eberesche. »Weihnachten«, sagte er zu niemandem und ließ den Blick über den Horizont der Moorlandschaft schweifen. Er stieß den Rauch aus, ersetzte ihn durch einen Schwall schockgekühlter Luft, auf dass sie ihm den Krebs ausbrenne, der ihn zerfraß. Das Haus, das knappe fünfzig Meter weiter nördlich stand, war das einzige, mit bloßem Auge zu erkennende Bauwerk: die Letter-M-Farm war, das hatte er vor langem schon entschieden, ein ebenso guter Ort zum Sterben wie jeder andere. Er hatte die Lampen brennen lassen, die aus dem klobigen, georgianischen Bau in den Winternachmittag hinausleuchteten, und in den doppelt verglasten F Leseprobe